Ich frage mich, ob dieser Beitrag von irgendjemandem gelesen wird, der schon einmal 50 Arbeitsstunden am Stück damit verbracht hat ununterbrochen Datensätze von Zetteln abzutippen und in den Computer einzutragen. Unsere Mitarbeiter mussten dies letztes Jahr erledigen, und dass dabei keine Begeisterung ausgebrochen ist, versteht sich von selbst. Aber mal langsam, was war eigentlich passiert?
Also, mal ganz von vorne:
Vor ein paar Jahren haben wir ein System zur Titelüberwachung entwickelt, durch das Schuldner von titulierten Forderungen automatisch überwacht werden. Unser System stellt automatisch Schufa-Anfragen, mit Hilfe von diversen Datenbanken recherchiert es neue Adressen von verzogenen Schuldnern, und wenn sich bei einem Schuldner die finanzielle Situation verbessert, alarmiert unser System uns und bereitet sogar gleich die Unterlagen für die Zwangsvollstreckung automatisch vor. So ein System gibt es nicht „von der Stange“ zu kaufen, wir haben es selber entwickelt und sind daher auch ein wenig stolz darauf. Wir nutzen es natürlich nicht nur für unsere eigenen Titel, sondern auch um Titel zu überwachen, bei denen andere Kanzleien ohne ein solches automatisiertes System bereits das Handtuch geworfen haben. Grundsätzlich ist das also eine recht schöne Sache.
Bislang hatten wir bloß das Problem, dass die Titel immer noch manuell in unser System importiert werden mussten. Wenn wir einen Vollstreckungsbescheid einer anderen Kanzlei zur Überwachung bekommen haben, mussten wir die für unser Überwachungssystem relevanten Daten manuell in unser System einpflegen. Also Namen und Adresse des Schuldners, Aktenzeichen des Gerichts, Höhe der Forderungen, Datum und Höhe eventueller Teilzahlungen, usw. Dann musste der Titel eingescannt und der jeweiligen digitalen Akte zugeordnet werden. Zeitaufwand insgesamt: etwa 3-5 Minuten pro Fall. Normalerweise ist das also keine große Sache, vor allem weil danach ja Ruhe ist und wir die Akte erst dann wieder auf den Tisch kriegen, wenn sich beim jeweiligen Schuldner etwas zum Positiven verändert hat.
Nun hatten wir letztes Jahr allerdings ein Paket von 600 Akten mit 600 Titeln zur Überwachung bekommen. Schön verpackt in 8 randvollen Umzugskartons! Und da werden 3-5 Minuten pro Fall schon zu einer relevanten Größe. Denn 5 Minuten x 600 Akten = 3.000 Minuten = 50 Stunden. Und so ergeben sich die eingangs erwähnten 50 Arbeitsstunden, die ein Mitarbeiter damit beschäftigt war, ununterbrochen Daten einzugeben. Eine Arbeit für Leute, die Vater und Mutter erschlagen haben. Anschließend war ein zweiter Mitarbeiter einen halben Tag lang damit beschäftigt, die Titel in Klarsichthüllen zu packen und sie alphabetisch sortiert in Ordnern abzuheften.
Während die Mitarbeiter mit dieser stumpfsinnigen Dateneingabe beschäftigt waren, schoss mir permanent das Wort „Texterkennung“ durch den Kopf. Schließlich brauchen wir bei jedem einzelnen Fall doch immer nur dieselben Informationen, nämlich Name des Schuldners, Name des Gläubigers, Anschriften, Forderungshöhe, Forderungsdatum, Aktenzeichen des Gerichts, etc. Und diese sich ständig wiederholenden Informationen müsste doch eigentlich auch ein Computer aus den Dokumenten extrahieren können…
Beim Auslesen von gerichtlichen Dokumenten steckt der Teufel jedoch im Detail. Das Layout der Formulare für Vollstreckungsbescheide wurde über die Jahre hinweg mehrfach geändert. Die Stellen, an denen sich die benötigten Informationen befinden, unterscheiden sich immer ein wenig. Unendlich viele Situationen, die menschlichen Mitarbeitern normalerweise noch nicht einmal auffallen, bringen die Texterkennung oder die Zuordnung des Texts zum relevanten Eintrag in der Datenbank durcheinander, wie etwa ein ungünstig platzierter Stempel eines Gerichtsvollziehers. Die Entwicklung unseres automatisierten Datenimports war daher eine ziemliche Sisyphosarbeit, aber der Aufwand hat sich gelohnt!
Wir haben unser neues Importsystem nämlich in der letzten Woche mal einem Härtetest unterzogen. Während ich letztes Jahr “nur” 600 Akten angeschleppt und damit einen Mitarbeiter über 1.5 Wochen lahm gelegt hatte, haben wir uns diesmal gleich mehr als doppelt so viele Titel besorgt. Ein Versandhändler aus Süddeutschland hatte vor Jahren einmal gegen seine Schuldner 1.300 Vollstreckungsbescheide erwirken lassen, die wir nun zur Überwachung bekommen haben. Der Zeitaufwand für den Import lag diesmal bei gerade mal 1.5 Manntagen fürs Einscannen, Sortieren, Abheften und Nachbearbeiten des Datenimports. Damit ist die Arbeit getan, den Rest – also die Titelüberwachung – erledigt der Computer automatisch.
Deshalb: ein dickes Dankeschön ans ganze Team und insbesondere an die Mitarbeiter, die das Importsystem seit knapp einem Jahr immer weiter verbessern!