Jogger vs. Radfahrer

Verkehrsunfälle gehören wirklich nicht zu unserem Schwerpunktgebiet. Wenn ich gelegentlich im Freundes- und Bekanntenkreis mit solchen Fällen beauftragt werde, bin ich deshalb immer wieder erstaunt, was für ein ausgemachter Unsinn in solchen Fällen zu Papier gebracht wird. So zum Beispiel im Fall eines Freundes, der beim Joggen Zeuge wurde, wie neben ihm ein Radfahrer vom Rad stürzte – und der nun plötzlich als angeblicher Unfallverursacher auf Schadensersatz und Schmerzensgeld verklagt wurde.

Bemerkenswert ist eigentlich schon, dass ein Radfahrer (als “stärkerer” Verkehrsteilnehmer) einen Fußgänger verklagt. Oder dass sich in diesem konkreten Fall beide Parteien unstreitig nicht einmal berührt hatten. Besonders absurd fand ich bloss, dass der Gegner behauptete, unsere Beschreibung, welche Wegstrecke unser Mandant gejoggt sei, wäre unglaubhaft, lebensfremd und – jetzt kommt’s – PHYSIKALISCH UNMÖGLICH! Ein Jogger könne keine so enge Kurve laufen. Aus physikalischen Gründen müsse er zwingend in den “Gegenverkehr” (also auf die Fahrspur des Radfahrers) gekommen sein.

Jetzt mal im Ernst: wer denkt sich sowas aus? Gibts Naturgesetze, nach denen Jogger einen Wendekreis hätten? Und wenn man sich um 180 Grad drehen will, macht man am besten “Wenden in drei Zügen”, so wie beim Auto in der Fahrschule? Witzig wird’s, wenn man versucht sich das bildlich vorzustellen.

Ich hab deshalb zum Gegenbeweis mal gleich angeboten, zu der Frage ein Sachverständigengutachten einholen zu lassen. Oder im Gerichtssaal vorzuführen, dass ich auf der Stelle – ganz ohne Wendekreis – sogar eine 360 Grad Drehung vollführen kann.

Erfreulicher Weise haben wir das Verfahren jetzt gewonnen. Der Richter meinte, dass er meine 360 Grad-Drehung im Gerichtssaal nicht sehen muss. Ihm war wohl aus eigener Lebenserfahrung bekannt, dass Menschen sich ohne Wendekreis drehen oder enge Kurven laufen können. Ich bin jedenfalls schon gespannt auf die schriftlichen Urteilsgründe!