Zum 250ten Geburtstag des Bankgeheimnisses

Ein langjähriger Freund, nennen wir ihn einfach mal „F“ (wie Freund), hat vor einiger Zeit seinen Führerschein verloren. Blöderweise ist er dann vereinzelt trotzdem ohne Führerschein gefahren, wofür er wegen “Fahrens ohne Fahrerlaubnis” (§ 21 StVG) bestraft wurde. Mit Führerscheinsperre und saftiger Geldbuße. Sowas macht man auch nicht! Und das meine ich ausnahmsweise mal nicht ironisch.

Das ganze Thema ist aber eigentlich mittlerweile erledigt. F. ist anschließend nicht mehr selber gefahren; seine Führerscheinsperre ist inzwischen abgelaufen; die MPU hat er bestanden und nun wartet er sehnsüchtig auf seinen Führerschein. Aber halt – ganz so einfach ist das Thema dann doch noch nicht erledigt:

Da ist wohl vor einigen Monaten mal eine Richterin auf die Idee gekommen nachzuforschen, ob F. nicht vielleicht doch weiterhin ohne Führerschein Auto fährt. Das Misstrauen kann man der Richterin auch kaum übel nehmen. Die wollte vermutlich einfach nur wissen, ob F. sie anlügt, wenn er ihr erklärt, dass er nicht mehr fährt. Problematisch ist bloß, dass die besagte Richterin sich für den denkbar ungeeignetsten Ermittlungsansatz entschied, den man sich vorstellen kann:

Sie forderte über die BaFin klammheimlich DIE KONTOAUSZÜGE meines Mandanten an! Und, man glaubt es nicht, auf den Kontoauszügen fanden sich tatsächlich Lastschriften von Tankstellen, bei denen F. Benzin bezahlt hatte. Mehr Beweise konnte man sich von den Kontoauszügen ja nun kaum erhoffen. Also nahm man die so gewonnenen Informationen mal gleich zum Anlass ein neues Ermittlungsverfahren zu eröffnen. Ein Ermittlungsverfahren, das natürlich irgendwann eingestellt wurde, aber das trotzdem meinem Freund F. über knapp zwei Monate hinweg den Weg zur Neuerteilung seines Führerscheins blockiert hat.

Jetzt mal ganz im Ernst: Man muss schon ziemlich weltfremd sein, um in einer Lastschrift von einer Tankstelle ernsthaft auch nur einen Anfangsverdacht für „Fahren ohne Fahrerlaubnis“ zu sehen. Denn Menschen ohne Führerschein schließen sich ja nun nicht zuhause ein und warten, dass die Zeit umgeht. Stattdessen müssen die sich halt notgedrungen öfter mal von Ehepartnern, Freunden und Verwandten in der Gegend rumkutschieren lassen. Das gilt vor allem für meinen Freund F., der als Geschäftsmann relativ umtriebig ist und eigentlich ständig querfeldbeet durch die Republik reist. Und wer sich dauernd in der Gegend rumfahren lässt, sollte besser großzügig auch mal den Tank vollmachen. Ansonsten findet sich nämlich vermutlich schon bald niemand mehr, der einen weiterhin fahren will.

Bei der Gelegenheit denke ich mit nostalgischen Gefühlen daran, dass vor genau 250 Jahren das Bankgeheimnis eingeführt wurde. Im Jahr 1765 stellte Friedrich der Große in Art. 19 der „Reglements der Königlichen Giro- und Lehn-Banco“ jegliche Nachforschungen über das Vermögen eines anderen unter Strafe:

„Wir verbieten bey Unserer Königlichen Ungnade, allen und jeden, nachzuforschen, wie viel ein anderer auf sein Folium zu gute habe…“

Dabei dürfte man 1765 anhand der Bankkonten nur relativ spätliche Informationen erhalten haben, also gerade einmal die Information wer wie reich oder wie arm ist. Das waren ja Zeiten, in denen es keine bargeldlose Zahlung gab, durch die man zum gläsernen Bürger wird. Damals haben Kontoauszüge mit Sicherheit nicht verraten, wer im Puff Geld abgehoben hat, wer shoppingsüchtig ist, wer auf die finanzielle Unterstützung seiner Oma angewiesen ist, wer mit seiner Geliebten eine Shopping-Tour gemacht hat, usw. Im Grunde wäre das Bankgeheimnis heute also um ein Vielfaches wichtiger als zu Zeiten vom Alten Fritz.

Dummerweise haben wir dann bloß irgendwann zugelassen, dass unsere Politiker uns dieses zentrale Element der Privatsphäre genommen haben. Natürlich sollte das nur zur Terrorismusbekämpfung dienen. Und wirklich nur in ganz seltenen Ausnahmefällen erlaubt werden. Dabei weiß doch eigentlich jedes Kind, dass „Terrorbekämpfung“ einfach nur der Türöffner ist, um dem Bürger eine Einschränkung seiner Grundrechte zu verkaufen. Einblick in Bankkonten kann deshalb mittlerweile fast jeder Hampelmann beantragen, solange er bloß im Staatsdienst tätig ist und ein Formular ausfüllen kann.

Wenn ich dann sehe, dass uns gerade die Vorratsdatenspeicherung an Telekommunikationsdaten aufgedrückt wird, werde ich sogar richtig wütend. Ich werde wütend auf die Politik, und auf die Naivität meiner Mitbürger, die mal wieder die Geschichte von „Terrorbekämpfung“ glauben. Denn machen wir uns nichts vor. Der Zugriff auf die Daten wird (genau wie das ja schon bei den Kontoabfragen praktiziert wurde) in ein paar Jahren auch wieder jedem Hampelmann erlaubt sein – solange er nur im Staatsdienst tätig ist und das passende Formular ausfüllen kann.
Wahrscheinlich wird in 5 Jahren ein Richter auch mal eben nachgucken können, wie schnell sich das Handy von Personen mit Fahrverbot bewegt. Und wahrscheinlich haben Personen ohne Führerschein dann ein Ermittlungsverfahren am Hals, wenn sich die GPS-Position ihres Handys verdächtig schnell geändert hat.