Jetzt wird wieder ehrlich geerntet!

Weshalb Leute Cheats, Bots oder Hacks benutzen, um in Computerspielen besser abzuschneiden, werde ich wohl nie verstehen. Und World of Warcraft finde ich sogar ohne Mogeltricks schon langweilig. Wenn Leute also Bots einsetzen, die für sie in der fiktiven World of Warcraft-Welt rund um die Uhr fiktive Kräuter und anderen Krimskrams einsammeln, dann gehört dies für mich zu den unergründlichen Rätseln der Menschheit. Aber was soll’s – ich verstehe nicht einmal den Reiz von Till Schweiger-Filmen oder von Rülps-Apps für’s Handy und bin daher vermutlich auch nicht der normale Durchschnittskonsument.

Die Rechtsstreitigkeiten, die der World of Warcraft-Hersteller Blizzard Entertainment mit den Entwicklern von Cheat-Bots führt, beobachte ich daher zwar mit einer gewissen Verwunderung über die Popularität solcher Bots, vor allem aber mit einem juristischen Interesse am Ausgang der Rechtsstreitigkeiten. Die Gerichte, die sich bislang in Deutschland und den USA mit dem Thema beschäftigen mussten, kommen mit ähnlichen Argumenten zu ähnlichen Ergebnissen. Die dazugehörigen Anspruchsgrundlagen sind im amerikanischen und deutschen Recht jedoch in unterschiedlichen Rechtsgebieten verankert. Und das finde ich deutlich spannender, als sich mit Cheats in Computerspielen nach vorne zu mogeln:

(1) Da wäre zum einen ein Rechtsstreit, den Blizzard Entertainment gerade vor dem United States District Court of Central California gewonnen hat (Blizzard Entertainment Inc v. Ceiling Fan Software LLC, Urteil vom 23.09.2013, Case No. SACV 12-00144 JVS). Beklagter war eine Software-Schmiede namens „Ceiling Fan“, die eine Reihe von World of Warcraft-Bots mit Namen wie „Pocket Gnome“ oder „Shadow Bot“ vertrieben hat. Das amerikanische Bundesgericht verbot den Vertrieb der Software und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 7 Mio. USD Schadensersatz, da diese

“bewusst und unerlaubt Blizzard’s Spieler dazu verleitet habe, eine Bestimmung aus dem Nutzungsvertrag mit Blizzard zu brechen, der die Nutzung solcher Software verbietet“.

Das amerikanische Gericht leitet die Haftung der Nutzer also aus dem Recht der unerlaubten Handlungen (engl.: „Torts“) her, das dem deutschen Deliktsrecht ähnelt. Eine solche Herangehensweise verbietet sich im deutschen Recht allerdings, da das deutsche Deliktsrecht nur bestimmte Rechtsgüter schützt, also Eigentum, Besitz, körperliche Unversehrtheit, usw. Unternehmen – bzw. im Juristendeutsch „das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb“ – sind theoretisch zwar ebenfalls geschützt. Der Schutzumfang für Unternehmen ist, zumindest im Deliktsrecht, jedoch ziemlich begrenzt und greift in der Regel nicht bei Handlungen, durch die der Verdienst eines Unternehmens nur mittelbar reduziert wird. Eine durchaus gewünschte Einschränkung, da das deutsche Recht an anderen Stellen sehr spezielle Regelungen zum Schutz von Unternehmen bereitstellt.

(2) Vor dem Landgericht Hamburg konnte Blizzard Entertainment ein bislang noch nicht rechtskräftiges Urteil gegen die Bossland GmbH erzielen, also den deutschen Hersteller des Cheat-Bots „Honorbuddy“ (Landgericht Hamburg, Urt. v. 23.05.2013, 312 I 390/11). Das Gericht verurteilte den Bot-Hersteller zur Unterlassung und leitete dies – anders als das amerikanische Gericht – aus Wettbewerbsrecht her. „Wettbewerb“ liegt im deutschen Recht nämlich nicht nur dann vor, wenn zwei Unternehmen am selben Markt tätig sind und austauschbare Waren oder Dienstleistungen anbieten. Umfasst sind vielmehr auch einige Fallgruppen des sog. „Behinderungswettbewerbs“, bei dem ein Unternehmen gezielt einem anderen Unternehmen schadet, weil es daraus selber unmittelbare Vorteile ziehen kann. Nach Ansicht des Landgerichts Hamburg stehe der Klägerin ein Unterlassungsanspruch zu, da die Beklagte gezielte Behinderung iSd § 4 Nr.10 UWG betreibe. Bossland greife empfindlich in das Spielsystem von World of Warcraft ein, da es

„Mitspieler dazu verleite und es ermögliche, dass diese Bots verwenden, deren Anwendung gegen die Spielregeln verstoßen“.

Zu diesen Spielregeln gehöre das Verbot

„…jegliche andere von Dritten hergestellte Software (zu) verwenden, die das Spielerlebnis von World of Warcraft verändert“.

Die Argumente der deutschen und amerikanischen Gerichte sind also sehr ähnlich, beide stellen auf eine Verleitung der Nutzer zum Vertragsbruch ab. Und damit kehrt vielleicht ja irgendwann Frieden im World of Warcraft Universum ein, in dem dann nur noch ehrliche Spieler mit ehrlicher Arbeit ihre Kräuter, Goldstücke und sonstigen Krimskrams sammeln.